Tanne - Abies alba Mill.
Tannensterben
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Ursachenkomplex:
- Phytophthora sp. - Trockenheit - "Standort" - Tannenprovenienz |
Das Tannensterben (silver fir decline) hat im natürlichen Areal
der Weißtanne periodisch immer wieder zu erheblichen Schäden
geführt. Dabei tritt die Krankheit allem Anschein nach nördlich
der Alpen besonders intensiv auf. Von hier wurden die gößten
Schäden und Ausfälle beschrieben. Als Auslöser des Tannensterbens
werden in der Literatur sehr verschiedene Faktoren genannt.
Neben Dürreperioden, mit denen ein offensichtlicher Zusammenhang besteht, werden standörtliche Gegebenheiten, waldbauliche Behandlung, Insekten, Pathogene, der Hallimasch, Mistelbefall und in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend Luftverunreinigungen genannt. Die Störung des Wasserhaushaltes ist offensichtlich das zentrale Problem und hier liegt auch der Schlüssel zur Erklärung des Tannensterbens. |
Tannen mit starker Kronenverlichtung und "Storchennestkrone" |
Abgestorbene Tannen, dazwischen eine relativ gesundes Exemplar. |
Als auffällige Symptome und Anzeichen der Krankheit können
Kronenverlichtung in unterschiedlichem Ausmaß, Wachstumsrückgang
(Längen- und Dickenwachstum), Veränderungen im gesamten Wurzelbereich
und der Naßkern gelten.
Durch den Rückgang des Längenwachstums flacht die Krone immer mehr ab, sog. Storchennestkronen sind die Folge. Storchennestkronen werden aber auch bei gesunden alten Tannen als Folge des verminderten Längenwachstums beobachtet und sind daher nicht in jedem Falle als Krankheitssymptom anzusehen. |
Untersucht man Tannen in betroffenen Beständen, so stellt man
im Wurzelbereich gravierende Veränderungen fest.
Pfahlwurzeln sind nicht selten abgestorben und "verfault", ebenso die waagerecht streichenden Wurzeln. Dicke Wurzeln zeigen mehr oder weniger große Wunden, die der Baum zu überwallen versucht, Feinwurzeln sind vergleichsweise spärlich und wo sie vorhanden sind z.T. abgestorben. Die Regeneration der Feinwurzeln ist mangelhaft. |
Feinwurzeln sind Mangelware |
Die dunkel verfärbten Feinwurzeln im unteren Bereich des Bildes sind abgestorben |
In der Rinde und im Zentralzylinder abgestorbener Wurzeln hat H. Blaschke
schon Anfang der 80er-Jahre Strukturen nachgewiesen, die eindeutig auf
die Oomycetengattung Phytophthora hindeuten (links).
Myzel, Oosporen und Oogonien dieses Feinwurzelpathogens im toten Gewebe von Wurzeln kranker Tannen sind aus heutiger Sicht ein eindeutiger Hinweis auf die entscheidende Rolle, die Phytophthora sp. im Krankheitsablauf spielt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich hierbei nämlich um das Primärpathogen, das die Krankheit in Gang setzt. |
Das Auftreten eines Naßkerns ist bei der Tanne nicht ungewöhnlich. Es lassen sich allerdings zwei verschiedene Typen unterscheiden. Der normale Naßkern ist auf das Zentrum des Stammes beschränkt, er ist im Umriß rund und erreicht den Splint nicht. Ausgangspunkte sind Totäste in der Krone des Baumes. |
Der pathologische Naßkern nimmt seinen Ausgang im Wurzelbereich, speziell an Wurzelwunden, und steigt maximal nur wenige Meter im Stamm auf. Er ist im Umriß unregelmäßig, von einer Trockenzone umgeben und reicht bis in den Splint hinein. Dort findet man auch scheinbar isolierte Naßkerninseln. Der pathologische Naßkern ist von Bakterien besiedelt (die möglicherweise durch die Wurzelwunden eindringen und seine Bildung auslösen oder begünstigen) und hat einen auffallend unangenehmen Geruch. Alles spricht dafür, daß der pathologische Naßkern dort wo er in den Splint vorzudringen vermag, die Wasserleitung beeinträchtigt. |
Herkunftsversuche in Dänemark, in denen nach der Trockenperiode
1975-1976 sehr unterschiedliche Schäden auftraten, lenkten die Aufmerksamkeit
auf die unterschiedliche Trockenresistenz der verschiedenen Herkünfte.
Herkünfte aus Süditalien und Ost- und Südosteuropa wiesen
keine oder kaum sichtbare Schäden auf, während Herkünfte
aus Mittel- und Westeuropa erheblich geschädigt wurden.
Die Übersichtskarte rechts zeigt, daß Tannenherkünfte aus dem ganzen Areal der Art an Hand ihrer Monoterpenmuster unterscheidbar sind und daß damit eventuell eine Möglichkeit besteht, widerstandsfähigere Sippen schon im Sämlingsstadium zu erkennen. Näheres zu den Terpenuntersuchungen finden Sie hier. |
Berücksichtigt man die im Zuge der Erforschung des Tannensterbens
erzielten Ergebnisse und die in der Literatur immer wieder beschriebenen
Beobachtungen, so läßt sich der Krankheitsverlauf, der zum Absterben
von Weißtannen führen kann, widerspruchsarm wie folgt beschreiben:
Feinwurzelpathogene aus der Gattung Phytophthora befallen und töten einen (großen) Teil der Feinwurzeln ab und dringen auch in die Rinde dickerer Wurzeln vor, wo sie zu Wunden führen. Durch diese Wunden dringen Bakterien ein, die den pathologischen Naßkern auslösen oder seine Bildung begünstigen. Verminderte Wasseraufnahme und beeinträchtigter Wassertransport im Splint führen zu Wassermangel in der Krone, der zum Nadelabwurf durch den Baum führt (=Kronenverlichtung). Reduzierte Nadelmasse bedeutet aber auch reduzierte Assimilation (=Schwächung), vermindertes Wachstum, verringerte Wurzelregeneration, erhöhte Disposition für Hallimasch. Unter diesen Bedingungen könnte Niederschlagsmangel die Störung des Wasserhaushaltes entscheidend verschärfen. Trockenresistentere Tannen hätten demnach den entscheidenden Vorteil, daß sie (auch physiologischen) Wassermangel länger tolerieren (und sehr viel eher bis zum nächsten Regen durchhalten) können und/oder durch geeignete Schutzmaßnahmen (z.B. optimaler Transpirationsschutz) trotz Wassermangel sehr viel später unter Trockenstreß geraten.. |
Literaturauswahl:
- Blaschke, H., 1981: Schadbild und Ätiologie des Tannensterbens. II. Mykorrhizastatus und pathogene Vorgänge im Feuinwurzelbereich als Symptome des Tannensterbens. Eur. J. For. Path. 11, 375-379 - Blaschke, H., 1982: Schadbild und Ätiologie des Tannensterbens. III. Das Vorkommen einer Phytophthora-Fäule an Feinwurzeln der Weißtanne (Abies alba Mill.). Eur. J. For. Path. 12, 232-238 - Larsen, J.B., 1986: Das Tannensterben: eine neue Hypothese zur Klärung des Hintergrundes dieser rätselhaften Komplexkrankheit der Weißtanne (Abies alba Mill.). Forstwissenschaftliches Centralblatt 105, 381-396 - Schuck, H.-J.; Blümel, U.; Geier, L.; Schütt, P., 1980: Schadbild und Ätiologie des Tannensterbens. I. Wichtung der Krankheitssymptome. Eur. J. For. Path. 10, 125-135 - Schütt, P., 1981: Erste Ansätze zur experimentellen Klärung des Tannensterbens. Schweiz. Z. Forstwes. 6, 443-452 - Schütt, P., 1978: Die gegenwärtige Epidemie des Tannensterbens. Ihre geogaphische Verbreitung im nördlichen Teilo des natürlichen Areals von Abies alba. Eur. J. For. Path. 8, 187-190 |
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lang@bot.forst.uni-muenchen.de | 23.12.2002 |